Der Workshop fand am Campus des KIT statt, so dass wir keine zeitraubende Anfahrt auf uns nehmen mussten. Durch den Workshop führte uns Herr Kirsch von der zentralen (Bosch Produktions System) – Abteilung von Bosch Rexroth.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, Sammlung der Erwartungshaltungen und einer Vorstellung des Unternehmens Bosch Rexroth widmeten wir uns schnell dem Thema.
Zu Beginn beschäftigten wir uns mit der Frage „Was ist Lean?“
In der anschließenden Diskussion wurde herausgestellt, dass Lean „einfach da sein muss“ und „nicht nur auf Prozesse sondern auch auf Produkte“ bezogen werden muss. Die Begriffe Philosophie, Denkweise und Kultur wurden dabei abgegrenzt: Eine Philiosophie wird zur Kultur, wenn sie gelebt wird. Eine Philosophie wird zur Denkweise, wenn sie verstanden wird. Eine Kultur entwickelt sich einer Organisation und lässt sich nicht so leicht ändern.
Danach wurde die Geschichte von LEAN kurz diskutiert. Der Begriff LEAN stammt aus der MIT-Studie in den 90er Jahren. Damit bezeichneten die amerikanischen Wissenschaftler des MIT die Produktionssysteme, die sie in Japan vorfanden.
Toyota begann in der Nachkriegszeit (40er Jahre) sein Produktionssystem zu ändern. Der Grundsatztlautet KAIZEN – Das Gute verbessern. Methoden sind das eine, wenn LEAN richtig umgesetzt wird, muss es gelebt werden und in den Köpfen der Menschen sein und das benötigt Zeit.
Viele Unternehmen haben auf die MIT-Studie hin begonnen lediglich die Methoden von LEAN(Wertstromanalyse, TPM, etc) anzuwenden. In Deutschland war Porsche eine der wenigen Firmen, die auch die Kultur und den KVP (Kontinuierlichen Verbesserungsprozess) betrachtet hat. Nachdem Porsche mit Lean (aber gleichzeitig auch neue Produkte und unternehmerische Leidenschaft) erfolgt hatte, ist Lean nach und nach auf dem gesamten Automotive Markt (andere OEM inkl. Zulieferindustrie) übergegangen.
Einschub: Produktionssysteme
Ein Produktionssystem ist ein Baukastensystem, es bezeichnet den Weg Input zu Output, wobei dabei Mehrwert geschaffen wird. Produktionssysteme gibt es schon sehr lange, im Prinzip schon immer. Produktionssysteme bestehen daraus eine Systematik anzuwenden.
Einige Beispiele aus der Geschichte:
- Venedig (11. Jhdt): Handelsschiffe mussten schnell auf Kriegsschiffe umgerüstet werden können. Dies wurde mit Hilfe eines Baukasten und einem Fließprozess (Mehrere Arbeitsprozesse hintereinander, Unterteilung in Arbeitsschritte) getätigt.
- Ford (1920er): Fließband, Arbeitsteilung, Standardisierung (z.B. nur schwarzer Lack), Massenfertigung (Automobil jedem zugänglich machen)
- Krieg/Rüstung (1930er): REFA (Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung) Gründung 1925. Deutsche Luftfahrt führt Taktzeit im Bau von Flugzeugen ein, hohe Standardisierung und somit Intelligenz im Prozess (da ungelernte Arbeitskräfte, vornehmlich Frauen, im Krieg die Produktion übernehmen müssen)
Nach dem Krieg gab es sowohl in Japan als auch in Deutschland keine Rohstoffe, kein Geld aber einen hohen Bildungsgrad. In Deutschland gab es den Marshallplan. Japan dagegen musste sich selbst behelfen. Japanische Unternehmen trugen zusammen, was bisher in der Industrie angewendet
wurde (Ford, Dt. Luftfahrt,…). Als wichtigen Bestandteil erkannten die Japaner, dass die Menschen dahinter stehen müssen, wie wichtig der ständige Verbesserungsprozess und die Verbesserung in kleinen Schritten ist. Die Japanische Kultur war hierbei sicherlich hilfreich. Dieser Faktor war beim Erfolg in der Umsetzung von großer Bedeutung und Hilfe.
Ziele von Produktionssystemen / Ziele von Lean
Zuerst wurde über die allgemeinen Ziele eines Unternehmens diskutiert: Geld verdienen, langfristig, Bedürfnisse befriedigen, Unternehmenswert steigern, Finanzierung sichern, Werte schaffen sowohl für das Unternehmen als auch den Kunden, gesellschaftliche Verantwortung, Wachstum, Märkte sichern. Dabei ist zu beachten, dass Unternehmensziele nicht verallgemeinerbar sind und abhängig vom jeweiligen Unternehmen, der Situation und den Personen der Führung sind. Jedes Unternehmen
bewegt sich irgendwo dazwischen Werte für das Unternehmen und Werte für den Kunden zu schaffen und dabei Gewinn zu machen. Was das Unternehmen mit dem Geld macht ist wiederum individuell abhängig.
Lean dient zur Unterstützung der Unternehmensziele. Daher sind die Ziele von Lean abhängig von den Unternehmenszielen. Lean ist das Mittel der Wahl um Ziele zu erreichen. Lean schafft Standards.
Ein Unternehmen muss Markt/Kundenbedürfnisse beachten und schnell anpassungsfähig bleiben. Das Ziel eines Unternehmens ist es immer (mit Hilfe Mitarbeiter und Unternehmer) Werte zu schaffen für den Kunden. Um die ständige Anpassungsfähigkeit zu erhalten benötigt man den KVP.
Nach der Mittagspause beschäftigten wir uns dann mit dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der Umsetzung im Unternehmen und der Bedeutung von Führung und Kultur in diesem Zusammenhang.
Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess
Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess dreht sich im Großen und Ganzen um den Wertstrom. Der Wertstrom umfasst alle Aktivitäten, die getätigt werden um das Produkt an den Kunden zu liefern(sowohl Wertschöpfung als auch Verschwendung)
- Wert: Zu aller erst muss man diesen erfassen und verstehen. Gemeint ist damit der Wert inBezug auf den Kunden. Was kann ich? Was muss ich können? Was will der Kunde? Was ist für meinen Erfolg wichtig? Dieser Wert dient als Motivation und Identifikationsgrundlage. Ersollte nie außer Acht gelassen werden. Beachtet werden muss auch, dass dieser Wert sichändern kann und man darauf reagieren muss.
- Zielzustand: Als zweites sollte man sich zunächst bewusst werden, was der ideale Zielzustandist. Wie sollte etwas (Prozess, Wertstrom, etc.) aussehen damit ich mein Ziel (Wert) erreiche? Welche Parameter sind dafür relevant? Welche Restriktionen gibt es, die meinen Idealzustand einschränken? Wichtig ist, dass dieser Idealzustand nie erreicht werden kann, nur als „Nordstern“ /Orientierung des Ziels dient.
- Ist-Zustand: Im nächsten Schritt geht es darum zu verstehen wo ich stehe, wie mein Prozess aussieht. Dazu dient der VSM (Value Stream Mapping), Bosch-interne Bezeichnung für Wertstrom-Ist-Zustand-Aufnahme; und häufig auch KPIs (Key Performance Indicators, Kennzahlen).
- Ziel-Zustand (real): Nachdem ich meinen Ist-Zustand klar analysiert habe, gilt es einen Zielzustand zu definieren, der tatsächlich erreichbar ist. Diese Definition steht auch unter dem Einfluss von Unternehmens- und Abteilungszielen. Mittels einem VSD (Value Stream Design, Bosch-interne Bezeichnung für Festlegung des Wertstroms im Zielzustand) und Zielwerten bestimmter KPIs erhält der Zielzustand einen definierten Rahmen. Der Zielzustand wird auch im Hinblick auf eine Zeitperspektive (oftmals auch mit Zwischenzielen) definiert. Hierbei ist zu beachten, dass die Zeitplanung realistisch bleiben sollte und nicht zu optimistische sein. Des Weiteren müssen genügend Meilensteine inbegriffen sein. Bei Bedarf ist es wichtig, dass man Ziele inkl. Zeiten und Meilensteine im Projektfortschritt anpasst und nicht als starr auffasst. Eine weitere Schwierigkeit ist häufig, dass versucht wird Zielzustände als 100%-Lösung zu beschreiben und damit viel Zeit verliert und somit nie zur Umsetzung komme.
- Hindernisse: Sind Ist- und Ziel-zustand definiert müssen die Hindernisse, Differenz zwischen Ist- und Ziel-Zustand, erkannt und identifiziert werden. Nach der Analyse sollten diese Priorisiert werden und entschieden werden welche zuerst beseitigt werden sollen. Zur Motivation werden zu Beginn häufig Hindernisse „aus dem Weg geräumt“ die große Effekte und schnelle Erfolge zeigen. Hier gilt es als Führungskraft die richtigen Hindernisse gemeinsam mit den Mitarbeitern zu identifizieren und Eliminieren. Zur Beseitigung der Hindernisse wird der PDCA (Plan Do Check Act)-Zyklus angewendet.
Dieses Spannungsfeld in einer Organisation muss verstanden werden um mit KVP erfolgreich zu werden. Lean kommt in diesem Feld die wichtige Rolle zu die Rahmenbedingungen zu schaffen (Führung, Umgebung, Motivation, Zeit, Fehler erlaubt) und mit Hilfe der Methoden und Prinzipien Prinzipien Verbesserung zu schaffen und ermöglichen. Sehr wichtig ist, dass es erlaubt ist Fehler zu machen. Nur wenn man Fehler selbst begangen hat lernt man daraus. Man sollte diese lediglich früh erkennen und nicht mehrmals machen. Für die Umsetzung wird die Schaffung monetärer Anreize (Prämien) zur Beteiligung der Mitarbeiter fragwürdig betrachtet.
Die Einführung solcher Strukturen schafft häufig Verhalten, das nicht gewünscht ist, z.B. Wettbewerb um immer größere Verbesserungen um möglichst hlhe Prämien zu bekommen.
Ein wichtiges Element der Kontinuierlichen Verbesserung, im PDCA-Zyklus und um von Ist- zum Zielzustand zu gelangen sind Standards. Standards sollten eine Vereinbarung zwischen Führungskraft Führungskraft und Mitarbeiter sein. Kontrolle (Prozessbestätigung) ist notwendig. Dabei kann es auch zu Konfliktsituationen kommen. Hier sind „Warum“-Fragen wichtig. Bei Standards sollte man im man im Hinterkopf behalten, dass die Standardisierte Arbeit das wichtige ist, nicht der geschriebene geschriebene Standard selbst. Mit der Prozessbestätigung werden Abweichungen registriert. Dies trägt wiederum zur Verbesserung bei. Abschließend waren die beiden Fragen, die im unteren Bild dargestellt der Fokus des Workshops.
Wie muss ich mich als Führungskraft verhalten?
- FK sollte Mentor/Vorbild/Moderator sein und allgemein eine unterstützende Funktion wahrnehmen und dabei Werte vermitteln.
- FK sollte Transparenz Offenheit vermitteln
- FK sollte Konsequenz zeigen und Kontrollen durchführen
- Die Kommunikation im Prozess (zwischen FK und MA) ist wichtig um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Dabei ist es wichtig, dass die FK fehlertolerant und geduldig ist, d.h. keinen Mitarbeiter für etwas verantwortlich macht.
- FK sollte Verbesserungen fordern
- FK sollte sich selbst und die Mitarbeiter Hinterfragen und Vorgehen reflexieren
Welche Fragen stelle ich im kontinuierlichen Verbesserungsprozess?
Nach den Grundsätzen der Coaching KATA sollte die FK fragen:
- Was ist das Ziel? Wo will/muss ich hin?
- Wo stehen wir?
- Wie komme ich dort hin? Gibt es Hindernisse/Probleme? Was ist das Hindernis?
- Welche Maßnahmen ergreife ich?
- Was erreiche ich damit? Wann sehe ich eine Veränderung?
Nach dem Lean Verständnis sollte Führung wie im rechten Bild dargestellt aussehen. Dabei stehen die Mitarbeiter, der Shopfloor, auf dem die Wertschöpfung geschieht, im Vordergrund und bekommen Unterstützung ihrer direkten Führungskraft. Diese direkte Führungskraft bekommt wiederum die Unterstützung ihrer Führungskraft usw. Klassischerweise sieht Führung in vielen Unternehmen heute noch aus wie im linken Bild dargestellt: Top-Down und mit Zielentfaltung von oben nach unten.
„Leaner“ ist Befähiger, immer über direkte Führungskraft einsteigen, keine Beipässe um Rollenkonflikte zu vermeiden (siehe linke Grafik). Lean ist somit Führungsaufgabe und keine Expertenaufgabe.